DIE ZEIT: Farbe für Fidels Insel Interview mit CubaBrasil - 2. Teil

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Torge: Während der Kunst-Biennale im Jahr 2006 hatten wir noch mal richtig Stress mit der Polizei. Am Malecon, der berühmten Uferpromenade von Havanna, haben wir auf die oberen sechs Stockwerke eines Hauses ein Video projiziert. Das nannten wir rebelde.tv, eine Anspielung auf Fidel Castros PiratensenderRadio Rebelde, mit dem er während der kubanischen Revolution Botschaften an das Volk sandte. In dem Video haben wir die revolutionären Sprüche, wie sie überall auf den Wänden Havannas zu sehen sind, etwas abgewandelt: Aus „Vaterland oder Tod“ machten wir zum Beispiel „Zucker oder Tod“. Wir ließen auch Kühe über die Leinwand hüpfen, obwohl es in Kuba seit Jahren keine Kühe, keine Steaks und auch keine Milch mehr gibt. Als wir vom Dach herunterkamen, warteten unten sechs Polizeiautos. Nach einem mehrstündigen Gespräch mit der Geheimpolizei kamen wir aber mit dem ganzen Equipment wieder raus.

Der Prado, die Uferpromenade. Ihr scheint eine Vorliebe für besonders prominente Orte zu haben.

Don: Klar, wir wollen ja ein Publikum haben. In Berlin werden die schönsten Bilder in Abrisshäusern oder hinter irgendwelchen Fabriken versteckt gemalt. Vor unserem Atelier im Prenzlauer Berg stehen völlig kaputte Wände, aber wir dürfen sie nicht anmalen. In Kuba konnten wir solche Wände mitten in der Stadt bemalen. Wenn Touristen jetzt nach Havanna kommen, sehen sie als erstes unsere Bilder.

Don, du sagtest, die kubanischen Künstler hätten vorher nicht mit Graffiti zu tun gehabt. Was haben sie an die Wände gemalt?

Don: Sie haben alle sehr kritische Bilder gemalt, das ist typisch für die dortige Kunstszene. Der Zerfall und die Verwesung der Stadt zum Beispiel waren ein Thema. Und Schiffe als Sinnbild für die Flucht von der Insel.

Sind das in Kuba Tabuthemen?

Torge: Normalerweise ja, aber die Kunst darf das erstaunlicherweise.

Don: Das liegt an der UNEAC, dem Verband der Kubanischen Schriftsteller und Künstler. Das ist die einzige wirklich unabhängige Institution auf Kuba und sie schützt ihre Mitglieder. Fidel Castro hat mal gesagt, die Kunst sei eine Waffe der Revolution, deswegen wird Kritik in der Kunst auch heute noch geduldet – auch wenn es kein sozialistischer Realismus ist.

Euer Projekt wurde unter anderem vom Goethe-Institut und der UNESCO finanziert. Wie habt ihr es geschafft, sie davon zu überzeugen, dass sie euch Geld geben? Um die Straßen voll zu malen, wohlgemerkt.

Don: Wir haben viele Workshops für Künstler, Kinder und Senioren angeboten. Das hat der UNESCO gefallen. Das Goethe-Institut unterstützt immer Künstler, die zu einer Biennale eingeladen werden – normalerweise zwar nicht nach Kuba, aber bei uns haben sie eine Ausnahme gemacht.

CubaBrasil ist jetzt abgeschlossen. Seid ihr zufrieden?

Don: Für uns war das ein materielles Desaster, aber es gab viele schöne Momente. Durch unsere Arbeit ist mittlerweile so etwas wie eine Bewegung entstanden: Scratching, das Kratzen von Schriftzügen in Scheiben oder Plastik ist jetzt Teil der kubanischen Graffitigeschichte.

Wird es weitere ähnliche Projekte geben?

Don: Im September fahre ich nach Beirut. Ich will sehen, was die arabischen Kalligrafen dort machen. Und vielleicht kann ich dann wieder etwas zusammenbringen, das erstmal scheinbar nicht zusammengehört.

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